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1148 Kindersoldaten bei der Bundeswehr

2021 Februar 13
by akantikrieg

Dank der Pandemie hat die Bundeswehr 2020 „nur noch 1148“ Minderjährige z.B. von der Schulbank anwerben können. 203.000 Soldaten will das Kriegsministerium unter Waffen haben, schafft aber gerade mal 180.000 zum Kriegshandwerk zu verpflichten. Skrupelloser soll’s werden, so Michael Schulze von Glaßer im Interview in die Junge Welt.

»Sie rechtfertigen es damit, viele neue Leute zu brauchen«

Welttag gegen Einsatz von Kindersoldaten. Bundeswehr rekrutiert weiter Minderjährige. Ein Gespräch mit Michael Schulze von Glaßer

Interview: Markus Bernhardt

Dieser Freitag ist zugleich »Red Hand Day«, Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Worauf liegt in diesem Jahr der Fokus?

In diesem Jahr sind ehemalige Kindersoldatinnen und Kindersoldaten des »Islamischen Staats« der Schwerpunkt. Dazu veröffentlicht das »Deutsche Bündnis Kindersoldaten«, in dem ich aktiv bin, an diesem Freitag eine Studie zu den Folgen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern im bewaffneten Konflikt im Irak. Mit dem »Red Hand Day« soll aber auf alle Aspekte rund um Kinder und Militär aufmerksam gemacht werden. Am 12. Februar 2002 trat das Zusatzprotokoll über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten zur UN-Kinderrechtskonvention in Kraft. Das verbietet den Einsatz von Kindern an der Waffe. Dennoch sind weltweit etwa 250.000 Kinder als Soldaten und Soldatinnen in bewaffneten Konflikten eingesetzt.

Die Rekrutierung von Minderjährigen findet keineswegs nur im Ausland, sondern auch in der Bundesrepublik statt. Wie viele Minderjährige sind bei der Bundeswehr tätig?

2020 hat die Bundeswehr 1.148 Minderjährige rekrutiert und an der Waffe ausgebildet – das sind 33 Prozent weniger als im Vorjahr – aber immer noch zu viele. Es ist dennoch interessant zu sehen, dass die Bundeswehr es trotz ihrer intensiven Onlinewerbung in Pandemiezeiten nicht schafft, ihr Rekrutierungsziel zu erreichen. Seit März 2020 sollen keine Jugendoffiziere mehr in Schulen gegangen sein und auch Werbeevents wie der »Tag der Bundeswehr« sind in physischer Form ausgefallen. Das zeigt, wie wichtig solche Termine für die Armee insbesondere bei der Rekrutierung 17jähriger sind – die Gesamtzahl neuer Rekrutinnen und Rekruten ist 2020 um 18 Prozent gesunken.

Und in welchen Bereichen werden die jungen Menschen eingesetzt?

Grundsätzlich können sie alle Wege einschlagen, müssen aber erst mal durch die Grundausbildung. Im April möchte das Verteidigungsministerium auch den neuen »heimatnahen freiwilligen Wehrdienst« beginnen, mit dem besonders sehr junge Menschen angesprochen werden sollen, und der explizit auf Einsätze im Inland ausgerichtet ist. Dabei sind die eigentlich keine Aufgabe des Militärs und juristisch durchaus umstritten.

In Auslandseinsätze werden die Minderjährigen nicht geschickt.

So weit geht die Bundeswehr nicht, aber eine Ausbildung an der Waffe findet statt, und mit 18 Jahren kann es dann durchaus zu Auslandseinsätzen kommen. Dabei ist das Risiko, eine posttraumatische Belastungsstörung zu erleiden, noch bis Anfang 20 enorm erhöht. Darauf nehmen das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr aber keine Rücksicht. Ebenso ist es mit Jugend- und Kinderrechten: Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Deutschland bereits 2014 aufgefordert, die Rekrutierung Minderjähriger einzustellen. Die Kinderkommission des Bundestags hatte das 2016 gefordert. Die Regierenden und die Militärs ignorieren aber alle Argumente und Forderungen.

Wie rechtfertigt die Bundeswehr die Rekrutierung der Minderjährigen?

Schlicht damit, viele neue Leute zu brauchen. Ursula von der Leyen, CDU, hat zu ihrer Zeit als Verteidigungsministerin gegenüber der NATO versprochen, die Bundeswehr 2025 auf mehr als 203.000 aktive Soldatinnen und Soldaten aufzustocken – doch sie kommt seit Jahren nicht über 180.000 hinaus. Daher wird die Werbung immer skrupelloser.

Gerade in der Pandemie und der Klimakrise zeigt sich deutlich, dass das Militär keine Antworten auf tatsächlich sicherheitsrelevante Probleme hat. Es verschlingt Finanzen, die etwa im Gesundheitsbereich und dem zivilen Katastrophenschutz fehlen. Die Sicherheitspolitik der Bundesregierung ist vollkommen fern jeder politischen und gesellschaftlichen Realität.

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), ist ein Sprecher der Kampagne »Unter 18 nie – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr«

https://www.jungewelt.de/artikel/396322.red-hand-day-2021-sie-rechtfertigen-es-damit-viele-neue-leute-zu-brauchen.html

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